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Freitag, 20. April 2012

Strategische Bedeutung von Leitbildern

"Das Leidwesen mit dem Leitbild" ist ein gelegentlich zu hörender Klageruf; immer dann, wenn es kein gültiges Leitbild mehr gibt und große Anstrengungen zur Neuausrichtung anstehen oder wenn es nur ein unbrauchbares Leitbild ist, das sich in Allgemeinheiten und Selbstverständlichkeiten erschöpft und somit seine Funktion als Leitlinie nicht erfüllt. Leitbilder waren zu Beginn des Jahrhunderts Mode. Jedes Unternehmen, jede Behörde wollte eines. Die Inflation der Leitbilderstellungen machte sie austauschbar und beliebig. Manchmal mit zu wenig Engagement, Mitteleinsatz oder Sachverstand wurden dann lediglich ein paar Thesen zur Philosophie hochgehalten, aber keine strategische Leitfunktion geschaffen. 
Leitbilder sind aber ein wichtiges Führungs- und Qualitätsinstrument. Das Leitbild ist Kern einer kybernetisch durchdachten Organisation: Erfolgreiche Unternehmen brauchen aus Effizienzgründen definierte Strukturen und Handlungsanweisungen durch alle Ebenen hindurch. Und umgekehrt gilt auch: Gute Strukturen führen zum Erfolg.  Und je größer der Betrieb, desto klarere Strukturen sind notwendig. Andernfalls sind die Opportunitätskosten im Unternehmen gewaltig bzw. eine Abwärtsspirale kann schleichend in Gang kommen.
Das Leitbild hat also als Führungsinstrument die Aufgabe, eine grundsätzliche Unternehmensausrichtung vorzunehmen. Es definiert im ersten Schritt die übergeordneten Werte und den Zweck der Unternehmung. Diese scheinbar lapidare Aufgabe offenbart in der offenen Diskussion oft, dass für Führung und Mitarbeiter der eigentliche Sinn ihres täglichen Tuns nicht mehr bewusst ist. Aber: ein Steuermann, der sein Ziel nicht kennt, wird den richtigen Hafen niemals finden.

Leitbildsystematik
Leitbildsystematik www.unternehmen-region.eu

Erst daraus werden dann die strategischen Managementziele abgeleitet und die strategischen Prozessen beschrieben. Für deren Definition gibt es verschiedene Analysetechniken (SWOT, PESTEL, Portfolio) und Orientierung an Benchmarks, Trends und Marktbedingungen.
Anschließend werden daraus - möglichst mit allen in operativen Unternehmensabläufen Beteiligten - in einem transparenten Arbeitsprozess die Maßnahmen und Projekte festgelegt und umgesetzt. Maßnahmen werden projektiert oder als Routineabläufe eingeplant. Sie werden priorisiert, terminiert und mit klaren Verantwortungs- und Reportstrukturen versehen. Jede Maßnahme muss dann einen erkennbaren Deckungsbeitrag für die Erfüllung der Strategien schaffen und diese zur Zielerreichung. Sodann muss das Leitbild im Betriebsablauf und der Verwaltung implementiert werden. Zu überprüfen ist , ob dafür Organigramm und Kommunikations- und Verfahrensabläufe stimmen und sind alle Gesellschafter, Führungskräfte und Beschäftigten gemäß ihren Stärken richtig positioniert sind?


Ein Leitbildprozess sollte aus Gründen der Effektivität und strategischen Profilbildung nicht im bottom-up-Prinzip entwickelt werden, sondern es  muss klar profilierte Vorstellungen der Unternehmensleitung formulieren. Allerdings ist es entscheidend, dass eine Partizipation aller wesentlichen Stakeholder gewährleistet wird, um Akzeptanz für die Annahme und Umsetzung der Entwicklung zu schaffen. Denn es gilt: ein von oben starr diktiertes Leitbild wird nicht gelebt und findet keine Umsetzung. 

Die Leitbildentwicklung ist auch kein langwieriges Verfahren. Im Gegensatz zu TQM-Prozessen sollte es in einem Zeitraum von maximal 6 Monaten definiert sein und dann in die Umsetzungsphase führen. Eine Steuerungsgruppe - unbedingt mit Beratung durch einen externen (d.h. außerhalb der Firmen- und Verwaltungsstrukturen stehenden) Moderator - lenkt den Entwicklungs- und Evaluationsprozess.
Wesentlich ist dann der Übergang von der Ausarbeitung in die Praxis: Leitbilder müssen gelebt werden. In der Schublade liegende Papiere führen in altes Schubladendenken.
In der Umsetzung sind regelmäßige Audits, wie sie aus dem TQM-Prozessen bekannt sind, hilfreich. Dabei muss der Prozess der Evaluation der Leitbild-Umsetzung in Projekte und Unternehmensinhalt muss nicht so aufwändig formalisiert und dokumentiert werden, allerdings gewährleistet nur die regelmäßige Kontrolle auch eine nachhaltige Entwicklung im Sinne der Leitbilddefinition. Führungskräfte und Mitarbeiter sollten sich gegenseitig fragen: "Wie nah sind wir im Unternehmensalltag dem Leitbild?", "In welchen Bereichen haben wir uns vom Leitbild entfernt?", "An welchen stellen ist eine Aktualisierung erforderlich?" und "Mit welchen Maßnahmen können wir die mit der Leitbild-Arbeit gewonnene Entwicklungsdynamik fortführen und das Leitbild als Richtlinie für den Unternehmensalltag durchgängig leben?"

Ist also das Leitbild aufgrund leidvoller Erfahrungen mit schlechten Entwicklungen aus der Vergangenheit aus der Mode? Wir meinen, nein! Es ist in Zeiten von gesellschaftlichem Paradigmenwandel, tiefgreifenden Trends und Krisen aktueller denn je - aber es muss professionell und richtig geführt werden.

Ein gutes Leitbild bedeutet für die Unternehmensleitung, den eigenen Selbstwert als Grundlage der Werteentwicklung zu definieren. Durch seine Reflexion von Werten, Führung und Prozessen gibt das Leitbild eine Vogelperspektive auf das Unternehmen und führt zu einer neuen strategischen Ausrichtung des Unternehmens. Somit ist es ein Erfolgsgarant, denn der Erfolg einer wirtschaftlichen Wertschöpfung im Unternehmens basiert wesentlich auf den gelebten ideellen Werten der Unternehmensführung.
 

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